30.06.2022
Die IHSE GmbH beschäftigt sich im Rahmen des Arbeitspaketes „Smart-City-Leitstelle damit, gemeinsam mit den Projektpartnern die Konzeption und Umsetzung der Smart-City-Leitstelle im Demonstrations- & Innovationslabor zu erarbeiten. Wir haben mit Dr. Enno Littmann über die Herausforderungen und Chancen gesprochen.
Die Firma IHSE GmbH beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Thema der KVM und Cybersecurity und ist führender Entwickler und Hersteller hochwertiger KVM-Produkte. Vielleicht können Sie kurz erläutern, was genau KVM bedeutet und was dahintersteht?
Bei IHSE stellen wir Produkte für die Verschaltung, Verlängerung und Konvertierung von Signalen her. Der Begriff KVM steht dabei für Keyboard, Video, Mouse, weil unsere Produkte diese Signale verarbeiten. Dazu kommen weitere Signale, aber diese sind die wesentlichen. Man kann sich im einfachsten Anwendungsfall vorstellen, dass mithilfe dieser Technologie der Abstand zwischen dem Computer und den Peripheriegeräten wie Bildschirm, Tastatur und Maus vergrößert wird. Durch die Distanz kann der Computer dann in einen gesicherten Raum abgesetzt werden. Besonders für die Cybersecurity ist dies essenziell, weil damit kein unberechtigter Zugriff auf das System erfolgen kann. Ein weiterer Aspekt der KVM-Technologie ist, dass nur wirklich notwendige Signale übertragen werden. Es gibt zum Beispiel Anwendungsfälle in der Praxis, bei denen USB2.0 Signale bewusst nicht übertragen werden, um das Risiko zu minimieren, dass Schadsoftware per USB-Stick eingeschleust wird. Neben den Cybersecurity-Aspekten bietet KVM auch dem Anwender entscheidende Vorteile, wie einen komfortableren sowie effizienteren Workflow und ein optimales Arbeitsumfeld mit möglichst wenig Lärm und Hitze, verursacht durch das IT Equipment.
Welche Motivation hat Sie angetrieben, Teil des ALFRIED-Projektes zu werden?
ALFRIED ist eine großartige Chance, Ideen und Visionen für eine zukünftige Leitstelle zu entwickeln und umsetzen. Dabei möchten wir mit unserem neuartigen Smart-City-Leitstellenkonzept einen Beitrag für die Entwicklung eines nachhaltigen Mobilitätssystems leisten. Gerade weil für das automatisierte und vernetzte Fahren so viele Informationen benötigt und Daten generiert werden, ist eine zentrale Leitstelle für die Überwachung und Steuerung des Geschehens, insbesondere des Verkehrs in der Stadt, unabdingbar. Diese zukünftigen Leitstellen müssen Anforderungen erfüllen, welche von aktuellen kommerziellen Leitstellenkonzepten noch nicht berücksichtigt werden. Hier wird zum Beispiel die Sicherheitsthematik eine sehr große Rolle einnehmen.
Ihr Team leitet innerhalb des Projekts das Hauptarbeitspaket Smart City Leitstelle. Welche Aufgaben fallen hier an und welches Ziel verfolgen Sie in dem Arbeitspaket?
Generell möchten wir gemeinsam mit den anderen Unternehmen im Hauptarbeitspaket Smart-City-Leitstelle die Konzeption und Umsetzung der Smart-City-Leitstelle im Demonstrations- & Innovationslabor erarbeiten.
Unser Ziel ist, alle verfügbaren Daten und Informationen am Testfeld Friedrichshafen und in der Stadt Friedrichshafen in der Leitstelle zu sammeln. Diese Daten werden den „Datenraum Mobilität“ für Friedrichshafen bilden, auf dessen Basis Handlungsempfehlungen für die Verkehrsteilnehmer, aber auch für angeschlossene Dienste, generiert werden sollen. Im Projekt ALFRIED stellen wir den Anwendungsfall der innerstädtischen Routenplanung für die Logistik in den Mittelpunkt und extrahieren daraus die Handlungsempfehlungen.
Welche Herausforderungen ergeben sich für die Firma IHSE GmbH aus diesem Projekt und gibt es dazu schon mögliche Herangehensweisen?
Für den Datenraum Mobilität möchten wir möglichst viele Informationen und Daten in die Leitstelle einbinden. Nur so können wir für die Routenplanung optimale Handlungsempfehlungen ableiten. Allerdings gehören die dafür benötigten Informationen unterschiedlichen Dateneigentümern. Manche der Daten sind öffentlich zugänglich, andere wiederum sind sehr sensibel zu behandeln. Daher ist eine Herausforderung, ein Cybersecurity-Konzept zu erarbeiten, welches die Dateneigentümer überzeugt, dass ihre Daten nach höchstem Sicherheitsstandard in die Leitstelle eingebunden sind. Um diese Aufgabe zu erfüllen, haben wir mit den verschiedenen Dateneigentümern gesprochen und ihre Anforderungen identifiziert und analysiert. Auf dieser Basis können wir entsprechende Geräte entwickeln, welche den sogenannten KRITIS-Kriterien und, im internationalen Kontext, dem Common Criteria Standard für kritische Infrastruktur entsprechen.
Wie schon zu Beginn erwähnt, liegt Ihr Schwerpunkt auf KVM-Produkten. Die Smart-City-Leitstelle wird in einem öffentlich zugänglichen Raum aufgebaut und so für interessierte Mitmenschen erlebbar. Ergeben sich daraus spezielle Aspekte, die Sie unter dem Gesichtspunkt „Cybersecurity“ beachten müssen?
Ja natürlich! Dass die Leitstelle öffentlich zugänglich ist, musste von Anfang an in der Konzeptionierung berücksichtigt werden. Deshalb sind die technischen Komponenten als auch die Möblierung so entwickelt und ausgewählt, dass kein unbefugter Zugriff auf das System erfolgen kann. Dabei haben wir mit unserer KVM-Technologie eine optimale Basis, um besonders die heiklen elektronischen Komponenten in einen geschützten Raum abzusetzen und gesichert in der Leitstelle unterzubringen.
Das Projekt ist im Januar 2021 gestartet und hat eine Laufzeit von 2,5 Jahren. Welchen Zeitplan verfolgen Sie in dieser kurzen Zeit?
Einen für uns großen Meilenstein haben wir in den letzten Wochen mit der Inbetriebnahme der „ersten Ausbaustufe“ der Leitstelle hier im RITZ erreicht. Die kommenden Wochen und Monate möchten wir einerseits für die Evaluierung der Leitstelle nutzen, aber auch um Potenziale für die Weiterentwicklung der Leitstelle zu identifizieren und umzusetzen. Wir haben bewusst die Implementierung des Leitstellenkonzeptes in ein zweistufiges Modell aufgeteilt, um den Projektpartnern möglichst zeitnah einen sicheren Zugriff auf die Infrastruktur der Leitstelle geben zu können.
Welche Potenziale/Chancen sehen Sie im Rahmen von ALFRIED und darüberhinausgehend?
Wir sind davon überzeugt, dass für ein nachhaltiges Mobilitätssystem eine Leitstelle benötigt wird, welche alle verfügbaren Daten sicher bündelt, visualisiert und auswertet. Seien es Daten aus der Vergangenheit, um gewisse Abläufe nachstellen zu können, aktuelle Daten für die Überwachung des Verkehrsgeschehens oder auch statistische Daten, welche einen Ausblick in die Zukunft geben können. Durch diese gebündelten Informationen kann die Leitstelle die Überwachung von autonomen Fahrzeugen übernehmen und bei Bedarf eingreifen z. B., wenn das Fahrzeug sich nicht mehr selbst aus der Situation befreien kann. Daher haben wir mit dem Förderprojekt ALFRIED eine einzigartige Chance bekommen, in naher Zukunft eine solch umfangreiche Leitstelle für das Testfeld aber auch für die gesamte Stadt Friedrichshafen zu erschaffen.
Vielen Dank Herr Dr. Littmann für das Interview und den Einblick in Ihre Arbeit im Projekt ALFRIED.
„Wir freuen uns über das Vertrauen und die Wertschätzung, die der Firma IHSE durch die Förderung entgegengebracht werden. Mit der Smart-City-Leitstelle im Demonstrations- und Innovationslabor werden wir zeigen, welches Potenzial in Leitstellen steckt, um das autonome Fahren im Realverkehr zu ermöglichen, und wie diese Leitstellen gegen Cyberattacken gesichert werden können. Zusätzlich bieten wir den interessierten Bürgern in der Leitstelle einen Einblick in die Arbeiten am Testfeld Friedrichshafen. Die Erkenntnisse aus dem Projekt ALFRIED werden uns helfen, gezielt auf die Anforderungen des zukünftigen heterogen Verkehrs hin maßgeschneiderte Lösungen für Smart City Leitstellen zu entwickeln.“
Dr. Enno Littmann, Geschäftsführer der IHSE GmbH
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