27.05.2021

Die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. beschäftigt sich im Rahmen des Arbeitspakets „Intelligenter Leitpfosten“ damit, wie ein Sensormodul energieautark und möglichst unauffällig eingesetzt werden kann. Wir haben mit Manuel Köhler über die Herausforderungen und Chancen gesprochen.  

Die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. ist ein Forschungs- und Entwicklungsdienstleister, der branchenübergreifend agiert. Wie sieht Ihr Leistungsportfolio aus und wie würden Sie die Arbeit von Hahn-Schickard beschreiben?

Hahn-Schickard entwickelt intelligente Produkte mit Mikrosystemtechnik – von der ersten Idee über die Fertigung bis zum finalen Produkt. Wir arbeiten an insgesamt drei verschiedenen Instituten an einem sehr breiten Spektrum von Themengebieten. Das reicht von MEMS (Micro-Electro-Mechanical Systems), Sensorik und Elektro- und Informationstechnik bis hin zu Analytik und elektrochemischen Energiesystemen. Unsere Arbeit befasst sich auf der einen Seite mit der Erforschung und Entwicklung neuer Technologien. Gleichzeitig gehören Produktentwicklung sowie die Herstellung von kleineren und mittleren Serien zu unseren Leistungen. Bei der Überleitung in die Großserienfertigung unterstützen wir unsere Partner ebenfalls.

Welche Motivation hat Hahn-Schickard angetrieben, Teil des ALFRIED Projektes zu werden?

Wir sind als Entwicklungspartner und -dienstleister stets auf der Suche nach Unternehmen, die unsere Kompetenzen in ihren Forschungs- und Entwicklungsprojekten nutzen möchten. Wir arbeiten schon lange an Themen im Bereich Energy-Harvesting und energieautonome Systeme und arbeiten aktiv daran, die Entwicklung dieser Schlüsseltechnologien voranzutreiben. Als uns von der ETO Gruppe vorgeschlagen wurde, unsere Expertise auf diesem Gebiet in das Projekt ALFRIED einzubringen, haben also sowohl das Thema als auch die für uns vorgesehen Aufgaben sehr gut gepasst. Die Vernetzung und Digitalisierung von Infrastruktur im Allgemeinen ist zudem ein Bereich, in dem auch viele unserer anderen Arbeiten angesiedelt sind, und als wichtiges Zukunftsthema für uns sehr interessant.

Copyright: Bernd Müller für Hahn-Schickard

Sie sind mit Ihrem Team stark im Hauptarbeitspaket „Intelligente Infrastruktur“ vertreten. Welche Aufgaben übernehmen Sie hier und welches Ziel verfolgen Sie dabei?

Unsere Arbeiten beziehen sich hauptsächlich auf den „Intelligenten Leitpfosten“, der im Rahmen des Projekts entwickelt werden soll. Es handelt sich dabei um ein Sensorsystem, das später in regelmäßigen Abständen an der Straße aufgestellt werden soll, um die Verkehrssituation und den Straßenzustand zu überwachen und bei der Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur zu helfen. Eine große Herausforderung ist hier die Tatsache, dass ein Stromanschluss in der Regel nicht zur Verfügung steht. Der nicht unbeachtliche Energiebedarf der Sensorik und der Funkeinrichtungen muss demnach aus in der Umgebung verfügbaren Energiequellen bedient werden. Unsere Aufgabe besteht also darin, ein sogenanntes „Energy-Harvesting“ umzusetzen, das aus Quellen wie Wind und Sonne die nötige elektrische Leistung erzeugt und den anderen Teilen des Systems in geeigneter Form zur Verfügung stellt.

Welche Herausforderungen ergeben sich für Hahn-Schickard aus diesem Projekt und gibt es dazu schon mögliche Herangehensweisen?

Momentan beschäftigen uns vor allem zwei Herausforderungen. Erstens wäre es wünschenswert, das Erscheinungsbild des gängigen Leitpfostens nicht nennenswert zu ändern. Der in Normen definierte Leitpfosten, den man gegenwärtig am Straßenrand findet, hat eine größtenteils weiße Oberfläche. Eine flächendeckende Bestückung mit gewöhnlichen Solarzellen ist also für die Sichtbarkeit nachteilhaft. Andere Strategien würden die Form des Leitpfostens verändern und auf diese Art möglicherweise ebenfalls zu Problemen bei der Zulassung führen. Wir untersuchen derzeit die Nutzung von Solarmodulen, die mit einer weißen Folie beschichtet sind. Diese haben zwar einen geringeren Wirkungsgrad, könnten dafür aber sehr unauffällig am Leitpfosten angebracht werden. Eine weitere Idee, an der wir arbeiten, ist die Integration einer kleinen Windturbine in die bestehende Bauform des Leitpfostens.

Die zweite Schwierigkeit ergibt sich aus den vergleichsweise energiehungrigen Sensoren im System. Die verfügbare Leistung ist begrenzt und muss mit Bedacht eingesetzt werden. Gerade im Winter, wo die Sonneneinstrahlung deutlich geringer ist, wird der Leitpfosten seine Aktivität diesen Umständen anpassen müssen. Hier müssen wir gemeinsam mit den Projektpartnern Strategien erarbeiten, wie die verfügbare Energie möglichst intelligent genutzt werden kann und wie benachbarte Leitpfosten die anstehenden Mess- und Kommunikationsaufgaben untereinander aufteilen können. Zu diesem Zweck entwickeln wir eine neuartige „Energievorhersage“. Die berechnet, basierend auf Wettervorhersagedaten und statistischen Beobachtungen der standortabhängigen Umgebungsenergie, eine Schätzung der in naher Zukunft zur Verfügung stehenden Leistung für jeden einzelnen Leitpfosten. Diese Schätzung ermöglicht eine noch genauere und effektivere Abstimmung der Aktivität. Letztlich muss auch bewertet werden, wie die beschriebenen Anpassungen sich auf den Anwendungsfall des autonomen Fahrens auswirken und wo hier die wichtigen Trade-Offs liegen. Die Erforschung dieser Zusammenhänge und der Effektivität des Gesamtsystems unter den gegebenen Einschränkungen ist ein zentraler Inhalt des Projekts.

Welche Potentiale/Chancen sehen Sie im Rahmen von ALFRIED und darüberhinausgehend?

Mit ALFRIED werden Themen angegangen, die für den hochautomatisierten und effizient koordinierten Straßenverkehr der Zukunft von großer Bedeutung sind. In diesem Projekt können wichtige Grundsteine gelegt werden, die für Anwendungen und weitere Entwicklungen nutzbar sind. Darüber hinaus rechnen wir bei unseren Arbeiten auch mit neuen Erkenntnissen für die Entwicklung energieautonomer Sensorsysteme, die ein enorm breites Anwendungsfeld haben.

Vielen Dank Herr Köhler, für den Einblick in Ihre Arbeit im Projekt ALFRIED

Copyright: Bernd Müller für Hahn-Schickard